Aufmacher ǀ Von Bernd Ziesemer, Chefredakteur Handelsblatt

Feuern Sie Ihre PR-Leute

Sieben Gründe, sich von PR-Agenturen zu trennen

Internet-Unternehmen geben Millionensummen für Öffentlichkeitsarbeit aus - sie könnten das Geld auch gleich in die EIbe oder in die Isar kippen. Früher besorgte sich ein Unternehmer als erstes einen Kleinkredit, kaufte einen Lieferwagen und stellte seine Ehefrau als Buchhalterin ein. Heute gehen Existenzgründer zum Risikokapitalisten, ordern einen Computer inklusive Power-Point-Programm und stellen eine Freundin als gut bezahlte PR-Managerin ein.

Ohne Öffentlichkeitsarbeit läuft in der Neuen Wirtschaft gar nichts. Auf einen Gründer kommt in der Internet- Szene mindestens ein PR-Berater, manche Startups geben mehr Geld für Präsentationsmappen aus als für Kundendienst und Kassenorganisation. Unternehmen beschäftigen einen Pressesprecher, können sich aber keine Putzfrau leisten. Und wer die Pressemitteilungsprosa der Neuen Wirtschaft verfolgt, findet sieben gute Gründe für den Rat: Feuern Sie Ihre PR-Leute!

Hat Ihre Agentur zum Beispiel einen Unternehmensnamen wie Syzygy oder Hexmac einfach hingenommen oder ihn gar vorgeschlagen? Dann fordern Sie sofort Ihr Geld zurück: Namen, die man nicht aussprechen, geschweige denn schreiben oder sich merken kann, machen jede weitere Öffentlichkeitsarbeit völlig überflüssig. Also entlassen Sie - Grund Nummer eins - sofort Ihre PR-Leute! Haben Sie sich möglicherweise selbst einen Namen wie Syzygy ausgedacht? Dann (Entlassungsgrund Nummer zwei) gilt: Alles weitere Bemühen ist sinnlos, sparen Sie lieber das Geld, machen sie Ihren Laden zu.

Wenn Ihre Partner Sätze wie den folgenden schreiben, haben Sie Entlassungsgrund Nummer drei: "NETg, führender Anbieter von e-Learning-Lösungen, hat mit seinen IT-Trainingsangeboten Skill Builder End User Information Technology und Knowledge Communication Professional Development auch Procter & Gamble überzeugt." Warum sollten Sie auch Leute für teures Geld beschäftigen, die keinen einzigen englischen Ausdruck ins Deutsche übersetzen können? Internet-Damerikanisch, diese merkwürdige Mischung aus rudimentärem Amerikanisch und falschem Deutsch, können Sie schließlich selbst. Beherzigen Sie diesen Entlassungsgrund, fallen zwei Drittel aller PR-Agenturen durchs Raster.

Überschwemmt Ihre PR-Agentur Journalisten mit Pressemitteilungen zu weltwichtigen Themen wie "Nokia eröffnet neue Büroräume in Bad Homburg"? Dann (Grund Nummer Vier) nehmen Sie Ihr Geld und rennen so schnell Sie können damit weg: Sie machen sich so nämlich jeden Journalisten, auf dessen Schreibtisch brandheiße Nachrichten wie diese landen, für alle Zeiten zum Todfeind Ihrer Firma.

Nehmen wir aber an, Ihre Agentur hat die Pressemitteilung mit dem Titel "Nokia eröffnet neue Büroräume in Bad Homburg" bereits verschickt. Nun fragen Ihre PR-Mitarbeiter auch noch in allen Redaktionen telefonisch nach, ob sie auch im vollen Wortlaut abgedruckt worden ist. Und prompt haben Sie den Entlassungsgrund Nummer Fünf: Denn nun laufen nicht nur die Journalisten Amok, denen Sie Ihr PR-Papier geschickt haben, sondern auch noch die Kollegen, bei denen Ihr Anruf fälschlicherweise landet.

Wer Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hat, kann trotzdem viele ehrenwerte Berufe ergreifen - Zahnarzt zum Beispiel. Er sollte aber nicht PR-Berater werden und Sätze schreiben wie: "Ihre Produktdaten extrahieren sie dazu aus den vorhandenen Systemen und speichern sie in einem separaten Master-Katalog." Also verschaffen Sie ihm einen anderen Beruf - feuern sie ihn auf der Stelle (Grund Nummer Sechs).

Legt Ihnen Ihre Agentur auch Zitate in den Mund wie: "Um im Wettbewerb immer einen Schritt voraus zu sein, haben wir es uns zur täglichen Aufgabe gemacht, unsere Mitarbeiter im kontinuierlichen Ausbau ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten zu unterstützen"? Glauben Sie ernsthaft, dass irgendjemand diesen Schmachtfetzen glaubt? Falls nicht, haben sie Grund Nummer Sieben, ihre PR-Leute schnellstens in die Wüste zu jagen.

Oder stammt das Zitat wirklich von Ihnen und Sie glauben auch selbst daran, dass Ihre warmen Worte irgendjemanden interessieren? Dann verpulvern Sie Ihr Geld zu Recht.  und sollten sich jetzt bei der Redaktion in unserem Online-Forum Gegenrede über diese unsachliche Polemik beschweren. Nur eines sollten Sie nicht: Die Beispiele für übertrieben halten. Sie alle stammen aus Pressemitteilungen, die dem Verfasser dieser Zeilen in den letzten sechs Wochen zugeschickt worden sind.

Diesen Text hat Bernd Ziesemer am 23. Oktober 2000 im Handelsblatt veröffentlicht. Er ist heute so aktuell wie damals. Wir danken dem Autor für die freundliche Genehmigung seinen Text nutzen zu dürfen.